Ein geldpolitisches Manifest für Europa

Der Bestand der Europäischen Union – und somit der Friede in Europa – sind ernsthaft gefährdet. Die Hauptursache hierfür sind falsche Theorien über die ökonomische Wirklichkeit sowie eine fehlerhafte Konstruktion des Eurosystems; allerdings ist dieser Fehler an einer ganz anderen Stelle zu verorten, als allgemein angenommen wird. Insbesondere in Deutschland setzten sich diese neuen Erkenntnisse nicht durch, da diese Krise zur Zeit noch überwiegend jenseits der deutschen Grenzen stattfindet. Tatsächlich ist aber Deutschland mit seinen merkantilistischen und austeritätspolitischen Vorstellungen inzwischen international weitgehend isoliert.

Was sind also nun die wirklichen politischen und ökonomischen Ursachen dieser schweren Krise? Fünf zentrale Problembereiche werden im Folgenden kurz erläutert und sodann eine Lösungsstrategie aufgezeigt, die im Hinblick auf ihre Umsetzungschancen weitaus realistischer ist als der Rettungsplan, der vor wenigen Tagen von führenden Köpfen der internationalen Politik vorgestellt wurde.

Krisenanalyse

1.    Asymmetrische Aufschuldungsprozesse

In einem Kreditgeldsystem werden alle ökonomischen Aktivitäten über den Finanzmarkt vorfinanziert. Eine zentrale Rolle spielen hierbei die Banken, die über die Kreditvergabe neues Giralgeld schöpfen und somit zusätzliche Kaufkraft generieren. Problematisch wird das Ganze dann, wenn die Kreditexpansionsraten in den einzelnen Ländern über einen längeren Zeitraum sehr unterschiedlich sind und zeitgleich in diesem Kontext hohe Leistungsbilanzsalden entstehen. Dann fehlt nämlich nach einiger Zeit in den Defizitländern das Geld zur Kredittilgung und das Bankensystem der Defizitländer wird illiquide, sofern es keine Refinanzierung über den Interbankenmarkt seitens der Leistungsbilanzüberschussländer gibt. Der Interbankenmarkt ist seit 2008 gestört und die Refinanzierung läuft seitdem weitestgehend über die EZB. Sichtbarstes Zeichen hierfür sind die TARGET-Salden.

Deutschland galt mit Einführung des Euro als kranker Mann Europas (geringe Kreditexpansion), während insbesondere Spanien, Griechenland und Portugal – dank der aus ihrer Sicht sehr stark gesunkenen Zinsen – einen extremen kreditgetriebenen Wachstumsschub erfuhren, der allerdings nicht nachhaltig war. Der Finanzmarkt hat hier über viele Jahre ebenso versagt wie in den USA. Eine unselige Rolle haben in diesem Prozess insbesondere die deutschen sowie die französischen Banken gespielt, die viel zu lange die Leistungsbilanzsalden der Defizitländer über den Interbankenmarkt refinanziert haben. Auf deutschen und französischen Druck hin wurden dann die ausländischen Banken gerettet und die Schulden auf die Staaten der Südperipherie überwälzt. Die sogenannte Staatsschuldenkrise ist also eigentlich eine Folge der privaten Finanzexzesse deutscher und französischer Banken. Deutschland hat nicht Spanien oder Portugal gerettet, sondern sein eigenes Bankensystem vor dem Kollaps bewahrt.

2.    Unproduktive Aufschuldungsprozesse

Während in Spanien zu Beginn noch zahlreiche produktive Baukredite vergeben wurden, waren es in vielen anderen Ländern überwiegend unproduktive Konsumkredite (Abzahlungsgeschäfte). Das Kreditmengenwachstum und somit das Geldvermögenswachstum (die Geldschulden des einen sind immer die Geldvermögen der anderen; das Nettogeldvermögen beträgt somit grundsätzlich null) waren höher als das reale Wachstum des BIP. Ergebnis: Zu hohe Schulden und somit zugleich zu hohe Geldvermögen (fiktives Kapital). Der spanische Immobilienboom endete dann so wie der amerikanische (Subprime Krise) bzw. 20 Jahre zuvor der japanische.

3.    Säkulare Stagnation

In gesättigten Märkten tendiert das Wachstum gegen null (nichts auf dieser endlichen Welt wächst unendlich). Eine positive Rendite für alle kann es aber nur bei Wachstum geben, da der Zins ein Gewinnbestandteil ist. Wächst die Wirtschaft unterhalb der gewünschten Mindestrendite, können die Gewinne eine Zeitlang mittels Lohnsenkung konstant gehalten werden (Agenda 2010). Damit fehlt dann allerdings die nötige Kaufkraft für die Lagerräumung. Verstärkt wird dieser Effekt durch die private Altersvorsorge. Wird zu viel gespart, dann fehlt die Nachfrage im System. In Deutschland fiel dieses Problem lange Zeit nicht auf, da die fehlende inländische Nachfrage durch das Ausland kompensiert wurde (rund 300 Mrd. € Leistungsbilanz-Überschüssen in Deutschland im Jahre 2016 stehen 300 Mrd. LB-Defizite im Rest der Welt gegenüber).

4.    Matthäus-Effekt

Entgegen den gängigen Theorien zum Marktgleichgewicht oder auch den Trickle-down Vorstellungen (allgemeiner Wohlstand der Reichen sickert nach unten zu den Armen) sieht die Realität seit Menschengedenken doch ganz anderes aus. Aus der Bibel ist der Matthäus-Effekt überliefert: „Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.“ Der Volksmund formuliert es etwas derber: „Der Teufel schei… immer auf den größten Haufen“, Abba hatte diese Phänomen in seinem Schlager „The Winner Takes It All“ besungen und die New York Times hatte 2010 über den „Superstar Effect“ geschrieben.

Die Folge: Zunehmende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen auf nationaler und insbesondere innereuropäischer Ebene. Letztlich handelt es sich also auch bei dieser Krise um ein altbekanntes Phänomen, für das es in früheren Zeiten die biblischen Jubeljahre gab, um die gesellschaftlichen Spannungen abzubauen und auf diese Weise der Enstehung von revolutionären Situationen vorzubeugen. Wir haben hingegen in den letzten 30 Jahren alles getan, um diesen Effekt auch noch zu verstärken (Stichwort: Agenda 2010 sowie insbesondere Senkung von Unternehmens- und Grenzsteuersätzen).

Die zunehmende Vermögenskonzentration betrifft alle Asset-Klassen. Die säkulare Stagnation hat zudem ein extrem niedriges Zinsniveau zur Folge, was wiederum den Wert aller Asset-Klassen nach oben treibt, da der Gegenwartswert nun mit einem geringeren Zinsfaktor abdiskontiert wird. Da viele von diesem Effekt profitieren möchten, besteht die Gefahr einer weiteren unproduktiven Kreditblase, die sich auf den Erwerb bestehender Assets konzentriert, anstatt auf die Schaffung neuer realer Vermögenswerte. Damit wird aber auch zugleich der Erwerb von Sachvermögen für die breite Bevölkerung immer schwerer und droht die Gesellschaft weiter zu spalten.

5.    Zweistufiges Geldsystem

Das Eurosystem besteht aus den nationalen Geschäftsbanken, den nationalen Zentralbanken sowie der Europäischen Zentralbank. Es handelt sich also letztlich um drei Hierarchieebenen. Tatsächlich wurde aber das grundsätzlich zweistufige Konzept der zuvor souveränen nationalen Zentralbanken bei der Euroeinführung übernommen, so dass letztlich jede nationale Notenbank so viel Geld erzeugen kann, wie es ihr nötig erscheint. Sichtbarster Ausdruck hierfür sind die ELA-Kredite (Notfallkredite der nationalen Notenbanken an ihre illiquiden Geschäftsbanken). Die Maastricht-Kriterien, die die Geldschöpfung via Staatsverschuldung begrenzen sollten, haben sich hier letztlich als untauglich erwiesen, da die Staatsschuldenkrise – mit Ausnahme des Sonderfalls Griechenland – eine Folge der Bankenkrise ist.

Schlussfolgerung

Unproduktive und asymmetrische Aufschuldungsprozesse haben insbesondere in Euroland zu untragbaren Schuldverhältnissen geführt, aus denen wir nicht mehr wie in früheren Zeiten herauswachsen können, da wir uns in der Phase der säkularen Stagnation befinden, die zudem durch den demografischen Faktor auch noch verstärkt wird. Die erfolgreichen Rezepte der Vergangenheit sind somit untauglich und unmöglich für eine friedliche Zukunft in Deutschland und Europa.

Lösungsinstrumente

Was wir benötigen sind Instrumente, mit denen wir möglichst viele Krisenursachen gleichzeitig bekämpfen können, ohne zu sehr in den Marktmechanismus einzugreifen.
Im Mittelpunkt einer schnellen Krisenintervention steht die ursprüngliche Idee von Nobelpreisträger Milton Friedman aus dem Jahre 1948, die aktuell unter dem Stichwort Helikoptergeld diskutiert wird. Tatsächlich geht es hierbei aber nicht um einen unkontrollierten Abwurf von Geld aus dem Hubschrauber, sondern um eine kontrollierte, symmetrische und solidarische Einführung eines niedrigen zentralbankfinanzierten Bürgergeldes  in Höhe von anfänglich 100 EUR pro Monat für jeden Bürger von Euroland. Aufgrund der angespannten Situation sollte es in den ersten 12 Monaten zusätzliche Sonderzahlungen in Höhe von 200 EUR geben. Für einen 4-Personenhaushalt sind dies zusätzliche 400 EUR Kaufkraft pro Monat bzw. in den ersten 12 Monaten 1.200 EUR monatlich. Über dieses neue Instrument sollte eine Volksabstimmung durchgeführt werden. Länder, die sich dagegen entscheiden, votieren zugleich für einen Austritt aus dem Eurosystem und führen wieder ihre nationale Währung ein. Ohne ein solches Instrument hat die Eurozone keine Überlebenschance, da die Disparitäten schon zu groß sind und eine monetäre Staatsfinanzierung als alternativer Lösungsansatz aufgrund von Art. 123 AEUV verboten ist. Dies ist unter anderem auch die Sicht von Lord Adair Turner.

Vorteile eines zentralbankfinanzierten Bürgergeldes (Citoyage)

  1. Symmetrische Entschuldung der privaten Haushalte.
  2. Stabilisierung des Bankensystems durch weitgehende Verhinderung von Kreditabschreibungen. Es handelt sich somit um eine indirekte Rekapitalisierung der Banken, die zugleich deren Eigenkapitalbasis stärkt und somit das Finanzsystem wieder robuster macht.
  3. Stabilisierung der Staatshaushalte, da die Citoyage als weitere Einkunftsart der Einkommenssteuer unterliegt, geringere Abschreibungen im Finanzsektor zu höheren Gewinnsteuern führen und letztlich zusätzliche Kaufkraft höhere Umsatzsteuereinnahmen bewirken.
  4. Höhere Steuereinnahmen schaffen den notwendigen finanziellen Spielraum für die dringend benötigten Zukunftsinvestitionen in Bildung und Infrastruktur, die zurzeit aufgrund der Schuldenbremse sowie der schwarzen Null unterbleiben.
  5. Diese Form der dezentralen Liquiditätszuführung kommt insbesondere den strukturschwachen Regionen zu gute und mindert somit den Druck der Landflucht, was wiederum positiv auf die Stabilisierung der Immobilienpreise in den Regionen sowie den Ballungszentren wirkt.
  6. Dieser dezentrale Ansatz verhindert eine zentralistische europäische Planungsbürokratie und delegiert die Verantwortung für die Mittelverwendung auf die unteren Ebenen und wird somit der föderalen Struktur in Europa gerecht.
  7. Eine direkte Bürgerfinanzierung verstößt zudem nicht gegen die bestehende Rechtsordnung, da gemäß Art. 123 AEUV lediglich die unmittelbare Staatsfinanzierung verboten ist, nicht aber die unmittelbare Bürgerfinanzierung.
  8. Die zusätzliche Kaufkraft wirkt den deflationären und disinflationären Tendenzen entgegen und ermöglicht somit der EZB ihrem Ziel der Preisniveaustabilität wieder näher zu kommen (unter aber nahe 2 %).
  9. Am ZLB (Zero Lower Bound/Nullzinsgrenze) hat die EZB keine Möglichkeit mehr, über eine weitere Zinssenkung den geldpolitischen Transmissionsmechanismus zur wirtschaftlichen Stabilisierung zu aktivieren. Von daher gibt es Überlegungen zu einem Bargeldverbot, da auf diese Weise das Zinsniveau deutlich in den negativen Bereich gedrückt werden kann. Abgesehen davon, dass ein solches Verbot keinesfalls vertrauensfördernd wäre (Geld ist Vertrauen), lässt sich das gleiche Ziel viel einfacher mit einem zentralbankfinanzierten Bürgergeld erreichen und wäre kein dirigistischer Eingriff in die Zahlungsgewohnheiten sowie die informationelle Selbstbestimmung.
  10. Der Cantillon-Effekt (erhöhter Nutzen aus der Erstverwendung von Geld) verteilt sich gleichmäßig auf alle Bürger von Euroland und nicht nur auf diejenigen, die die beste Lobbyarbeit betreiben.
  11. Entschuldete Haushalte können wieder stärker am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und stabilisieren durch ihre zusätzliche Kaufkraft die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und wirken somit positiv auf Beschäftigung und Staatshaushalt.
  12. Die Regelmäßigkeit der monatlichen Zahlung schafft Kontinuität und Planungssicherheit auf allen Ebenen und erübrigt diskretionäre politische ad hoc Entscheidungen, die oftmals unter hohem Druck getroffen werden und somit nicht nur zu spät kommen sondern dann auch häufig prozyklisch wirken.
  13. Eine intendierte höhere Inflationsrate ermöglicht die dauerhafte Erwirtschaftung einer positiven monetären Rendite (und nur darum geht es im Kapitalismus), ohne dass es zu einer realen höheren Wirtschaftsleistung kommen muss. Monetäres Wachstum ist unendlich möglich, reales Wachstum hingegen nicht. Damit kann die Citoyage einen existentiellen Beitrag zur ökologischen Stabilisierung des Planeten leisten und verhindert zugleich den Zusammenbruch der Lebensversicherungsgesellschaften.
  14. Eine einheitliche monatliche Zahlungsleistung der EZB sendet ein positives Signal an 99 % aller Bürger von Euroland und kann zu einem neuen verbindenden Element für ein einheitliches Europa in Frieden und Freiheit werden, bei dem Geld nach Aristoteles wieder ein Mittel zum Zweck wird und nicht der Zweck an sich.

Ein zentralbankfinanziertes Bürgergeld ist keine eierlegende Wollmichsau und ersetzt keinesfalls eine kluge Wirtschafts-, Fiskal- und Geldpolitik. Es ist zudem nur in gesättigten und reifen Volkswirtschaften an der Nullzinsgrenze mit disinflationären Tendenzen das geeignete Mittel der Wahl. Keinesfalls können diese positiven Effekte in Schwellenländern erwartet werden.

Ein zentralbankfinanziertes Bürgergeld kann allerdings nicht den grundsätzlichen Konstruktionsfehler des Euro korrigieren. Hierfür bedarf es der Einführung eines dreistufigen Geldsystems mit einem zusätzlichen Interzentralbankenmarkt, an dem die nationalen Zentralbanken des Eurosystems für einen Liquiditätsausgleich sorgen und sich somit schon am Interzentralbankenmarkt unterschiedliche Refinanzierungszinssätze herausbilden können, die der nationalen Situation gerecht werden. Oder um mit den Worten von Hans-Werner Sinn zu sprechen: Dann können sich die Zinssätze wieder nach ihrem Risiko spreizen und in Folge entstehen erst gar nicht so hohe Leistungsbilanzungleichgewichte.  Alles andere ist ein Herumdoktern an Symptomen. Diese Fehlkonstruktion wird allerdings bislang noch gar nicht diskutiert. Wie auch, wenn die Mehrheit der Ökonomen noch nicht einmal verstanden hat, wie ein zweistufiges Geldsystem funktioniert.

Die Einführung eines zentralbankfinanzierten Bürgergeldes ist relativ einfach und schnell umzusetzen und schafft den nötigen Freiraum für dringende weitere strukturelle Reformen. Hierzu zählen insbesondere höhere Grenz- und Erbschaftsteuersätze, eine weitere Erhöhung des Renteneintrittalters, eine einheitliche Finanztransaktionssteuer sowie eine CO2-Steuer. Ohne diese zentrale Maßnahme wird Europa auch bei bestem politischen Willen der Eliten keinen Bestand haben. Noch ist es nicht zu spät zu handeln, aber die Zeit rennt uns davon. Handeln wir jetzt!

update 24.10.2016: Eine überarbeitete Version ist heute beim MAKRONOM erschienen.


Vertiefende Links:

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42 Antworten zu Ein geldpolitisches Manifest für Europa

  1. Horst schreibt:

    Vielen Dank, Herr Stöcker, für Ihren Essay.

    Das Instrument der Citoyage empfinde ich als durchaus spannend. Die Frage, die sich mir in diesem Zusammenhang stellt, würde dieser „Zuschuss“ nicht umgehend in die Preise von Realgütern (vor allem Lebensmittel, aber auch Assets wie Immobilien in Ballungszentren) sowie Dienstleistungen eingepreist werden? Und handelt es sich bei der Citoyage nicht um einen zeitlich limitierten und quantitativen Subtyps eines BGE´s?

    „…, eine weitere Erhöhung des Renteneintrittalters, …“ Wie ist diese in Einklang zu bringen mit dem Zeitalter der Industrie 4.0?

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    • Michael Stöcker schreibt:

      Grundsätzlich geht es bei diesem Instrument auch um eine Bekämpfung der deflationären und disinflationären Tendenzen in Euroland. Der Effekt wird in den einzelnen Ländern allerdings unterschiedlich hoch ausfallen und hängt zudem von anderen fiskalischen Maßnahmen ab. In Deutschland wird die inflationäre Wirkung vermutlich stärker sein als im Süden, da im Süden ein größerer Teil in die Schuldentilgung gehen wird und gerade nicht nachfragewirksam wird. Dieser Effekt wirkt allerdings positiv auf die Wettbewerbsdisparitäten zwischen dem Süden und Norden. Zudem unterliegt die Citoyage auch der Einkommensteuer und wird somit hoffentlich nicht nur primär redistributiv sondern auch investiv verwendet.

      Darüber hinaus haben wir weltweit hohe freie Kapazitäten, die tendenziell disinflationär wirken. Erst an der Kapazitätsgrenze entwickelt sich größeres inflationäres Potenzial.

      Bei den Assetpreisen folge ich Ihren Einschätzungen; insbesondere was die Immobilienpreisentwicklung in den Ballungszentren anbelangt. Von daher fordere ich ja zugleich auch eine deutlich höhere Erbschaftssteuer.

      Eine zeitliche Begrenzung ist von meiner Seite nicht vorgesehen. Ich stelle mir vielmehr eine Konzertierte Aktion mit Vertretern aus allen gesellschaftlichen Gruppen/Institutionen vor (EZB, Europaparlament, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Kirchen), die alle fünf Jahre über die Höhe neu verhandelt, da bei erfolgreicher Inflationierung der Effekt im Zeitablauf immer geringer wird.

      Das Ende der Arbeit wird seit mehr als 200 Jahren immer wieder aufs neue verkündet; nur kommen wird es nicht. Der strukturelle Wandel schafft viele neue Freiräume, die wir durch sinnvolle bildungspolitische, kulturelle und soziale Aktivitäten ausfüllen können. Und nicht zu vergessen: Der personalintensive Pflegebereich für die Babyboomer ist der Gegenpol zur Industrie 4.0.

      Mit einem BGE habe ich nichts am Hut. Ich stimme hier mit Flassbeck und vielen anderen überein und teile insbesondere die jüngste Einschätzung von Georg Quaas.

      LG Michael Stöcker

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    • Michael Stöcker schreibt:

      Larry Summers macht sich ebenfalls Gedanken, dass den USA die Arbeit ausgehen könnte: Men without work.

      Mit solchen Fragen sollten sich in der Tat die Sozialwissenschaften beschäftigen und insbesondere die Ökonomik als deren Teildisziplin einen forschenden Blick auf die Leistungsbilanzungleichgewichte sowie die 1 % werfen.

      LG Michael Stöcker

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      • deepinsidehps schreibt:

        Es wäre höchste Zeit Themen wie Reduktion der Arbeitszeiten anzugehen, allerdings ist der Konkurrenzgedanke aus der möglichen Verlegung von Produktion dafür deutlich zu übermächtig. Gerade Deutschland würde mit diesem Schritt eine Entspannung der Ungleichgewichte erzeugen können und so etwas für das europäische und auch globale Gleichgewicht tun.

        Allein mir fehlt der Glaube.

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  2. Pingback: Ein geldpolitisches Manifest für Europa | zero2one-inside-hps

  3. Horst schreibt:

    Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.

    Zum Ende der Arbeit: Der „personalintensive“ Pflegebereich ist in der Tat der Gegenpol zur Industrie 4.0 – hier stimme ich mit Ihnen überein – jedoch, polemisch, wir stellen wir es uns vor, dass mit Erhöhung des Renteneintrittsalters eine 72jährige Krankenpflegerin einen 78jährigen demenzkranken Patienten pflegt? Wenn ich mit Menschen aus diesen Bereichen spreche, höre ich unisono: Noch drei, zwei, Jahre bis zur Rente – das halte ich noch durch… Das ist nicht realitätsnah und übersteigt die Kräfte des Einzelnen (ein ähnliches Bild ergibt sich in anderen Branchen (Einzelhandel, Handwerk, Industrieproduktion etc.)). Bei Ärzten, Architekten, Juristen und Politikern! sieht es selbstredend anders aus…

    Zur Citoyage: Ist der „Zuschuss“ selbst schuldbefreit, bzw. wie könnte der entsprechende Buchungssatz bei der ZB lauten? Und wenn dieser der Einkommenssteuer unterliegt und schuldbefreit ist, erfolgt dann nicht zu einem gewissen Teil eine indirekte Staats-(resp. Euroland-)finanzierung?

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    • Michael Stöcker schreibt:

      Wenn wir mal die ganzen Bullshit-Jobs entsorgen würden, dann wären viele Kapazitäten frei. Siehe hierzu David Graeber. Statt „Stasi in die Produktion“ nun „Banker in die Pflege“; denn da können sie jetzt wirklich Gottes Werk auf Erden vollenden. Die sind zudem echte Großmeister im „ Auf die Kacke hauen“.

      Da Staatsschulden grundsätzlich revolviert werden, handelt es sich hierbei um ewige Schulden. Befinden sich diese ewigen Schulden durch den Ankauf von Staatsanleihen in der Bilanz der Zentralbank, dann sind diese Schulden nicht mehr zinssensibel, da die potentiellen Erträge bei steigendem Zinsniveau unmittelbar über den Gewinn wieder an den Staatshaushalt abgeführt werden (linke Tasche, rechte Tasche). Kauft die ZB Anleihen an, dann bucht sie Forderungen (Pos. 7 auf der Aktivseite der Bundesbank) an Verbindlichkeiten (2.1 auf der Passivseite).

      Die Citoyage könnte grundsätzlich genau so gebucht werden, allerdings auf neu zu schaffenden Konten, damit die Übersicht gewahrt bleibt (Ewige Forderung an Citoyage in Umlauf). Die ewige Forderung passt thematisch zum Münzgeld auf der Aktivseite (Pos. 11.1), die Citoyage in Umlauf zur Position Banknotenumlauf auf der Passivseite (Pos. 1). Ich hatte das ganze einmal in einer Diskussion mit Norbert Häring vom Handelsblatt näher erläutert. Weitere Details in einem dreistufigen Geldsystem siehe in meiner Antwort an veblen.

      In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch auf den exzellenten Beitrag von Binswanger verweisen, der die Chancen und Risiken einer solchen Maßnahme hervorragend beleuchtet.

      LG Michael Stöcker

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  4. felsberger2012 schreibt:

    Sehr geehrter Herr Stöcker,

    >Monetäres Wachstum ist unendlich möglich, reales Wachstum hingegen nicht.>

    Wenn der Kapitalismus real nicht mehr wächst, gibt es auch keine Erhöhung der Realeinkommen aller, egal wieviel zusätzliche Staatsschuld, Bürgergeld, etc.man in das System pumpt. Also wozu dann das Ganze?

    >Eine positive Rendite für alle kann es aber nur bei Wachstum geben>

    Das ist falsch. Die Unternehmen finanzieren die Löhne vor, die Arbeiter schaffen Produktions- und Konsumtionsmittel, die Produktionsmittel werden am Ende der Abschreibunsgperiode (z.B. ein Jahr) weggeschmissen, und die Konsumtionsmittel an die Arbeiter verkauft. Dabei werden die Preise von den Unternehmen so kalkuliert, dass die gesamte Lohnsumme wieder eingetrieben, aber nur ein Teil der gesamten Konsumtionsmittel an die Arbeiter weitergereicht wird. Der Rest ist Lager und zugleich: der Gewinn. Man braucht keine wachsende Ökonomie, um einen Gewinn zu erwirtschaften……

    LG
    Alfred Felsberger

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    • Michael Stöcker schreibt:

      Lieber Herr Felsberger,

      Sie schreiben: „Also wozu dann das Ganze?“

      Weil ich der Auffassung bin, dass eine monetäre Zahlungswirtschaft mit leichter Inflation besser funktioniert also ohne, insbesondere in der aktuellen Situation. Für Details siehe auch das Paper der BIS: Deflation in a historical perspective.

      Dabei werden die Preise von den Unternehmen so kalkuliert, dass die gesamte Lohnsumme wieder eingetrieben, aber nur ein Teil der gesamten Konsumtionsmittel an die Arbeiter weitergereicht wird.

      Ihre makroökonomischen Wunschvorstellungen in allen Ehren; aber so funktioniert diese Welt nicht. Der Matthäus-Effekt verhindert eine solche Idealwelt. Es bringt nichts, in einer monetären Zahlungswirtschaft nur in realen Lagergrößen zu rechnen. Der Besitzfetisch ist nicht die Ware, sondern vielmehr das Geld.

      Man braucht keine wachsende Ökonomie, um einen Gewinn zu erwirtschaften……

      Theoretisch braucht es das in der Tat nicht, praktisch aber sehr wohl, da die angestrebten monetären Renditen höher sind als die tatsächlichen realen Konsumwünsche. Zwar nicht bei den 99 %, sehr wohl aber bei den 1 %.

      LG Michael Stöcker

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  5. felsberger2012 schreibt:

    Herr Stöcker,

    Das Lager wird ja in Form von Dividenden „ausgeschüttet“. Also: Das Unternehmen verschuldet sich, zahlt mit dieser Schuld die Dividende an die Eigentümer, die kaufen das Lager, das Geld fließt zurück und das Unternehmen entschuldet sich. Völlig analog zu den Lohnzahlungen.

    PS: Auch die Zinszahlungen der Unternehmen werden über Ver- und Entschuldung abgewickelt. Daraus folgt: Das nominale Endprodukt besteht nur aus Lohnzahlungen. Gewinn und Zins sind Preisaufschäge, durch die sich Eigentümer und Geldkapitalisten einen Teil des realen Produkts holen. Um so niedriger der Gewinn- und der Zinsaufschlag, desto niedriger das Preisniveau.

    PSS: Man beachte die verkehrte Logik der Ökonomen, in deren Vorstellungen ein niedriger Zinsaufschlag zu einem höheren Preisniveau führen soll. Man kann getrost sagen: Alles in der ökonomischen Theorie ist falsch.-)

    Trotzdem liebe Grüsse
    A.F.

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    • Michael Stöcker schreibt:

      Herr Felsberger,

      es ist zwar nicht alles in der ökonomischen Theorie falsch (eher weniges), aber in Bezug auf die Funktion des Zinses sowie des Geldes eine ganze Menge. Insofern gibt es hier eine gewisse Übereinstimmung.

      Ihre Argumentation hinkt schon am ersten Punkt: Die Unternehmen sind nicht nur in Deutschland schon seit geraumer Zeit Nettosparer und nicht mehr Schuldner.

      Die Lager werden zwar ex ante als Dividenden ausgeschüttet, aber ex post nicht mehr geräumt. Damit sie dennoch geräumt werden, wurde die zu geringe Lohnsumme temporär durch Abzahlungsgeschäfte korrigiert und somit der nötige Anpassungsprozess zwischen Löhnen und Zinsen/Gewinnen hinausgezögert. Bleibt letztlich nur noch der Staat, der als spender of last resort die Kapitalfiktionen fortführt; und zwar so lange, bis diese Fiktion an der Realität scheitern wird.

      Volle Zustimmung zu Ihrem PS.

      Ihr PPS ist mir unklar. Wer argumentiert so? Oder zielen Sie hier auf die angeblich inflationäre Wirkung eines generellen niedrigen Zinsniveaus ab? Wenn ja, dann auch hier volle Zustimmung.

      Liebe Grüße nach Wien
      Michael Stöcker

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      • felsberger2012 schreibt:

        Ja, Herr Stöcker, die Unternehmen sind seit langem „Netto-Sparer“. Das heißt: Sie reduzieren ihre Netto-Verschuldung. Da haben Sie recht. Es ändert trotzdem nichts an der Gültigkeit meines Modells. Es heißt nur: dass der Unternehmenssektor auf der Suche nach seiner „optimalen EK-FK-Quote“ ist. Stellen Sie sich den Kapitalismus wie ein wackelndes Fahrrad vor, das trotz allem Hin- und Her dennoch in der Spur bleibt: Die Spur ist die „optimale EK-FK-Quote“, und entlang derer wackelt das System mal in die, dann die andere Richtung. Dass wir seit über 10 Jahren eine steigende EK-FK-Quote des Unternehmenssektors sehen, heißt nur: dass wir die Jahre davor, namentlich durch den Abgang des Sozialismus und die dadurch in Gang gesetzte Investitions-Hausse, eine phantastische Ausdehnung des Fremdkapitals im Unternehmenssektor sahen. Nun geht`s halt in die andere Richtung und das ist auch gut so……

        Liebe Grüsse
        A.F.

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  6. felsberger2012 schreibt:

    >Weil ich der Auffassung bin, dass eine monetäre Zahlungswirtschaft mit leichter Inflation besser funktioniert also ohne, insbesondere in der aktuellen Situation.> Darüber kann man vorzüglich streiten. Ich war auch lange der Meinung, dass dem so sei. Mittlerweile bin ich`s nicht mehr. Mal abgesehen davon, dass niedrigere Zinsen (ceteris paribus) zu einem niedrigen Preisniveau führen, man Inflation also nur durch höhere Zinsen (oder alternativ: höhere Gewinne und höhere Löhne) initiieren kann, steht das Ganze ja doch nur für einen Boom, auf den dann fast zwangsläufig der Bust folgt. Man gewinnt nichts im Kapitalismus (durch höhere Gewinne, durch höhere Zinsen, durch höhere Löhne, usw.), denn man fällt nur umso tiefer wieder zurück, wenn`s kracht……

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    • Michael Stöcker schreibt:

      Höhere Inflation bekommt man auch durch echtes Fiat-Money/Helikoptergeld hin. Am ZLB nur noch auf diesem Weg. Warum Geld grundsätzlich inflationär entwertet werden sollte war Gegenstand meines allerersten Beitrags. Ein tiefer Fall ist insbesondere dann wahrscheinlich, wenn diese Fiktionen nicht permanent inflationär entwertet werden.

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  7. felsberger2012 schreibt:

    Das Problem ist einfach: dass die Ökonomen den Ver- und Entschuldungsmechanismus, mit dem die Unternehmen die Lohn-, die Gewinn- und die Zinsempfänger auf gleiche Art bedienen, nicht verstehen. Dadurch kommen sie zu vollkommen falschen Schlüssen bezüglich der Wirkung der Gewinne und Zinsen. Sie sehen zwar, dass (ceteris paribus) höhere Löhne zu einem höheren Preisniveau führen, sie sehen auch, dass Gütersteuern das Preisniveau heben, nicht aber, dass dies auch für Gewinne und Zinsen gilt. In weiterer Folge kalkulieren sie das Gesamtprodukt falsch, das bei korrekter Betrachtung NUR aus Lohnzahlungen besteht, während Gewinne, Gütersteuern und Zinsen bloß inflationäre Effekte haben, am (realen) Gesamtprodukt aber nichts ändern. So reiht sich Fehler um Fehler – und am Ende steht man begossen wie ein Pudel da.-)

    LG
    A.F.

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    • Michael Stöcker schreibt:

      Kalkulation ist schön und gut. Sie sollten bei der Preisfindung aber weder die Marktmacht noch das Marketinggeklingel vergessen. Jeder kalkuliert aus individueller Sicht. Das führt noch lange nicht zu einem kollektiven Optimum.

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  8. felsberger2012 schreibt:

    Das Problem ist einfach das mangelnde Vertrauen in den Kapitalismus. Man pfuscht per Staat in diese Welt rein, wo es nur geht, zum Teil auf Grundlage von Theorien, die jegliche Logik vermissen lassen. Was wirklich notwendig wäre, ist nicht weitere Staatsverschuldung (z.B. über Bürgergeld), das macht die Lage nur schlimmer, nein, man muß weltweit die Gewerkschaften stärken und sie für Arbeitszeitverkürzung kämpfen lassen. Die Defekte des Kapitalismus liegen nicht im Geld-, sondern im Arbeitszeitsystem. Aber erkläre man das mal einem keynesianischen Ökonomen, so falsch er auch denkt, und man wird glatt ausgelacht. Staatschuld ist Gift für das System: Es lindert kurzfristig Leiden und macht langfristig alles nur schlimmer….

    LG
    A.F.

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  9. felsberger2012 schreibt:

    Herr Stöcker,

    Der Kapitalismus sucht sich seine Inflationsrate selbst. Er benötigt keine Zurufe von außen und schon gar nicht staatliche Interventionen. Bei der weltweiten Staatschuldenausdehnung übersieht man nämlich das Banalste: Die Umverteilung des realen Produkts von den Lohnabhänigen weg hin zum Staat und seiner Klientel einerseits, die Inflationierung der Sachwerte andererseits. Staatsschuldenausdehnung ist ein einzigartiges Subventionsprogramm für Staatsabhängige und die Eigentümer der Sachwerte. Diese Art von Kapitalismus benötigen wir tatsächlich nicht. Wo dies mündet, kann man gerade heute beobachten, wo die von den Lohnabhängigen subventionierte Staatsklientel (und Sachwerteigentümer) ihren Arbeitenden auch noch moralische Vorträge halten. Es ist eine alte Binsenweisheit: Eine wachsende Staatschuld korrumpiert die Menschen, züchtet eine Klasse von Staatsabhängigen heran, die von Blindheit und Ignoranz geschlagen ist. Am Endpunkt steht die totale Frustration der Lohnarbeiter……

    PS: Ich verstehe mich als klassischer Sozialist, auch wenn dieses Wort mittlerweile aus der Mode ist. Deshalb die Betonung auf die wiederherzustellende Macht der Gewerkschaften, deshalb das Verlangen nach Arbeitszeitverkürzung als einzig wirksamer Methode der Umverteilung, und deshalb auch die klare Zurückweisung der Staatschuld……….

    LG
    Alfred Felsberger

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    • Michael Stöcker schreibt:

      Herr Felsberger,

      Sie schreiben: „Der Kapitalismus sucht sich seine Inflationsrate selbst.“

      Nicht nur das: Er sucht sich auch seine Deflationsrate selbst. Die Frage ist, ob es sich hierbei um ein gesellschaftlich wünschenswertes Ergebnis handelt.

      Bei den Folgen der Staatsschuldenausdehnung bin ich ganz auf Ihrer Seite. Von daher plädiere ich ja zur Systemstabilisierung/Inflationsstabilisierung auch nicht für höhere Staatsverschuldung sondern für ein zentralbankfinanziertes Bürgergeld, das eine solche von Ihnen kritisierte Privilegierung im ersten Schritt ausschließt (Cantillon-Effekt).

      Die wiederherzustellende Macht der Gewerkschaften ist grundsätzlich gut und richtig, lässt sich aber nicht international erzwingen und wird zusätzlich durch den Steuersenkungswettbewerb erschwert. Aus individueller/betriebswirtschaftlicher Logik entsteht noch lange kein in sich konsistentes und halbwegs stabiles Gesamtsystem.

      Ich empfehle Ihnen folgende weiterführenden Links:

      Mark Blyth: SHORT-TERM POLITICS VERSUS LONG-TERM RETURNS.
      Ray Dalio und Timothy Geithner bei CNBC.
      Michael Kalecki: Political Aspects of Full Employment.

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  10. felsberger2012 schreibt:

    >Aus individueller/betriebswirtschaftlicher Logik entsteht noch lange kein in sich konsistentes und halbwegs stabiles Gesamtsystem.> Das ist die entscheidende Frage. Es kommt halt immer darauf an: a) welche Ansprüche die Menschen an das Leben haben, und (b) wie man den Kapitalismus betrachtet. Ich für meinen Teil stehe ganz auf Seiten Marxens, dass es zwar beobachtbare „Gesetze“ in der Entwicklung des Kapitalismus gibt, dass aber alle Versuche ihn zu gestalten ins Leere laufen. Ein dezentrales System ist viel zu schlau als dass es sich zentral gestalten ließe. Bestes Beispiel: Nominale Lohnerhöhungen, die über das Preissystem real entfernt werden. Oder eine Erhöhung der Steuern, die die Arbeitnehmer trifft, aber nicht die Unternehmen. Hier sind politische „Partial-Fuchtler“ (im Sinne Stützels) am Werk, die sich wichtig machen und ihre verkehrte Logik auch noch dem Publikum schmackhaft machen wollen. Dafür bin ich nicht zu haben….

    LG
    A.F.

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  11. felsberger2012 schreibt:

    Ich lebe ja in Österreich, einem vollkommen überregulierten Gemeinwesen. Hätten wir nicht zufällig den Tourismus, das heisst: die Schönheit der Landschaft, wäre der Staat längst ruiniert. Die Gewerkschaften haben sich bei uns von ihrer ureigensten Aufgabe, die Arbeitszeitverkürzung, und nur diese, zu betreiben, abgewandt und sind über die Arbeiterkammer zu einer staatstragenden Macht geworden („Sozialpartnerschaft“). Jeder Schwachsinn wird bei uns reguliert, bis zu dem Punkt, wo man den Kapitalismus blockiert. Ich kann diesen Irrsinn, der nun auf europäischer Ebene potenziert wird, kaum mehr ertragen. Und was besonders ärgerlich ist: dass all diese Blockierer von den Arbeitnehmern leben, nicht ohne ihnen vorzugaukeln, dass sie auch noch dankbar dafür sein müßten. Es stockt einem nur mehr dem Atem, wenn man das Treiben beobachtet. Aber gut, was soll`s…..

    LG
    A.F.

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  12. Michael Logies schreibt:

    Hallo Herr Stöcker,

    es gibt m. W. kein ausreichend komplexes, dynamisches Wirtschaftsmodell (s. Steve Keen), mit dem sich die Inflationswirkungen Ihres Vorschlages vorhersagen ließen. Deshalb halte ich es nicht für angemessen, einen festen monatlichen Zahlungsbetrag durch die EZB von vorneherein zuzusagen. Außerdem würde ein fester Zahlungsstrom aus Sicht eines Bankers die Verschuldungsfähigkeit des Konsumenten erhöhen. Es käme zu noch mehr unproduktiven Konsumkrediten (Konsum- versus Investitionskredite nach Richard Werner). Von daher ist mir der Vorschlag von Keen sympathischer, z. B. 5000 Euro durch die EZB an jeden Bürger der Eurozone unter der Voraussetzung auszuschütten, daß damit erst Schulden getilgt werden müssen. Wenn diese getilgt sind oder von vorneherein keine bestehen, steht das Geld zur freien Verfügung. Das muß mit regulatorischen Maßnahmen zur Verhinderung einer zu hohen privaten Neuverschuldung verbunden werden (z. B. Hauskredite nur bis zu einem gewissen Faktor kalkulatorischer Mieteinnahmen, s. Keen, oder auch mit Maßnahmen der Kreditlenkung, s. R. Werner). Wie oft die Geldinjektion in private Haushalte und in genau welcher Form wiederholt wird, hinge dann von der Reaktion des Wirtschaftssystems ab.
    An den Grundkrankheiten der Eurozone, den deutschen Exportüberschüssen, den fehlenden Recyclingmechanismen von Überschußländern in Investitionen in den Unterschußländern (Y. Varoufakis), den unterschiedlichen Lohnentwicklungen in den Eurozonenländern, die die Leistungsbilanzunterschiede befeuern, dem Horten von Geld bei den oberen paar Prozent insbesondere der Exportüberschußländer, ändert Keens bzw. Ihr Vorschlag nichts. Insofern bin ich skeptisch, ob sich die Eurozone noch retten läßt oder ob die Summe der Probleme Politik und EZB nicht bereits überfordern und deshalb das Zurückkehren zu nationalen Währungen nicht politisch weitaus wahrscheinlicher ist. Zumal Deutschlands politische Klasse bislang m. E. keine Einsicht in die wirklichen Probleme erkennen läßt.

    Mit freundlichen Grüßen

    Michael Logies

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    • Michael Stöcker schreibt:

      Hallo Herr Logies,

      vielen Dank für Ihre konstruktiven Anmerkungen. Die Inflationswirkungen lassen sich nicht in der Höhe, sehr wohl aber in der Tendenz abschätzen; und die ist eindeutig positiv, da ein zusätzlicher Einkommensstrom für zusätzliche Nachfrage im System sorgen wird und die Preise hierauf nicht völlig unelastisch reagieren werden.

      Die tatsächliche Inflationshöhe hängt zudem in einer vernetzten Welt von so vielen anderen Faktoren ab, auf die weder die Zentralbanken noch die Regierungen einen direkten Einfluss ausüben können, so dass letztlich jedes Modell an der Komplexität scheitern würde.

      Meine Überlegungen zu einer konstanten Rate gehen letztlich auf Überlegungen von Henry Simons aus dem Jahre 1936 zurück, auf deren Basis dann Milton Friedman sein monetaristisches Geldmengenwachstumskonzept entwickelt hatte, ohne es aber selbst wohl richtig verstanden zu haben:

      The powers of the government to inject purchasing power through expenditure and to withdraw it through taxation—i.e., the powers of expanding and contracting issues of actual currency and other obligations more or less serviceable as money—are surely adequate to price-level control. (p. 22)

      … in other words, the monetary rules should be implemented entirely by, and in turn should largely determine, fiscal policy. (p. 30) Quelle

      Kontinuität – im Sinne von Friedman – erscheint mir sinnvoller als diskretionäre ad hoc Interventionen.

      Zum Thema Schuldentilgung: Da bin ich grundsätzlich auf Ihrer Seite, aber Sie werden die Menschen nicht ändern können (finanzielle Allgemeinbildung könnte hier in der langen Frist aber durchaus hilfreich sein). Mein Vorschlag zur Eindämmung von Abzahlungsgeschäften sieht etwas anders aus.

      Dort finden Sie übrigens weitergehende Reformvorschläge, die Ihren weiteren Anmerkungen Rechnung tragen; denn die Grundzüge dieses Essays hatte ich schon vor drei Jahren in einem 10-Punkteplan skizziert. Mit dem Konzept der Citoyage können wir lediglich Zeit gewinnen, die weiteren Reformen ohne soziale Unruhen und die Gefahr der Radikalisierung anzugehen. Insofern sehe ich ein zentralbankfinanziertes Bürgergeld lediglich als eine notwendige, nicht jedoch als eine hinreichende Bedingung für den Erhalt des Euro.

      Ihrem letzten Satz kann ich leider voll und ganz zustimmen. Es ist wie im tiefsten Mittelalter.

      LG Michael Stöcker

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  13. Markus Gördes schreibt:

    Sehr geehrter Herr Stöcker,

    die Domainnamen
    zinsfehler.de
    zinsfehler.org
    zinsfehler.com

    sind noch frei. Nur eine Äusserlichkeit, aber eine eigene Domain würde Ihrem hervorragenden Geldtheorie-Blog sehr gut stehen. Kostet im Allgemeinen auch nicht viel (z.B. https://www.strato.de/wordpress-hosting/ ).

    Herzliche Grüsse

    Markus Gördes

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    • Michael Stöcker schreibt:

      Vielen Dank für die Blumen und den freundlichen Hinweis. Hatte ich schon vor über einem Jahr vor. Aber wie das oftmals so ist, drängen sich immer wieder andere Dinge in den Vordergrund; z. B. gerade die Vollgelddiskussion bei Daniel Stelter. Dabei sind es ja nur wenige Klicks und voilà: zinsfehler.com nun werbefrei mit eigener Domain.

      Herzliche Grüße zurück
      Michael Stöcker

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  14. Stephan Mischke schreibt:

    Sehr geehrter Herr Stöcker,

    ich lese schon eine ganze Zeit als ziemlicher Laie in Ihrem Blog mit und wollte mich auf diesem Wege für die ganze Arbeit die Sie sich machen bedanken. Man lernt doch eine ganze Menge dazu.

    Bezüglich des zentralbankfinanzierten Bürgergeld/Citoyage gibt es in Deutschland leider ein Problem. 6 – 7 Millionen Hartz IV Empfängern zuzüglich der Menschen in der Grundsicherung und eventuell auch anderen System der Sozialversicherung würde das Geld sofort als Einkommen angerechnet werden und eher friert die Hölle zu als das eine deutsche Regierung das Bürgergeld als anrechnungsfreies privilegiertes Einkommen im SGB II/SGB XII einstuft. Diese Menschen die es auch vom Konsumaspekt am nötigsten bräuchten und es mit einiger Sicherheit auch sofort wieder in Umlauf brächten, würden nicht profitieren.

    Mit freundlichen Grüßen
    Stephan Mischke

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  15. Uwe Durrschnabel schreibt:

    Sehr geehrter Herr Stöcker,
    Seit geraumer Zeit verfolge ich verschiedene Diskussionen bezgl. der Problematik der Target Salden. Leider ist selbst unter den sogenannten Experten keine einheitliche Meinung festzustellen. Heute erschien hier ein Artikel, ( http://www.rottmeyer.de/target-2-irrungen-und-wirrungen ), der wiederum diesen Artikel ( https://makroskop.eu/2017/01/es-tanzt-ein-bi-ba-butzemann/ ) von Herrn Paul Steinhardt kritisiert. Wenn Sie mal die Zeit finden, diese beiden Artikel zu lesen, wäre ich Ihnen für eine kurze Darlegung Ihrer SIchtweise sehr dankbar.
    Freundliche Grüsse,
    Uwe Durrschnabel

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  16. Peter Dobler schreibt:

    Sehr geehrter Herr Stöcker,

    mit grossem Interesse habe ich einige ihrer Beiträge gelesen. Erlauben sie mir dazu einige Fragen bzw. Kommentare. Über eine Replik ihrerseits würde ich mich freuen.

    Wenn ich das von ihnen vorgeschlagene Bürgergeld hochrechne, kämen wir im Euroraum auf eine Steigerung des Zentralbankgeldes sowie der Sichteinlagen um ca 400 Mrd. Euro pro Jahr. Also eine etwa halb so gross Summe wie das QE der EZB das Zentralbank Geld erhöht (welches aber ja nur zum Teil sich als Sichteinlagen Geld des Typs M1 niederschlägt).

    Wie soll denn aus ihrer Sicht die mengenmässige Geld Steuerung der Zentralbank in unterschiedlichen Konjunktur und Wachstumszyklen stattfinden? Soll das Bürgergeld dann gekürzt oder erhöht werden um die Geldmenge zu beschränken bzw auszuweiten? Ich stelle mir den Einsatz dieser Stellschraube als politisch sehr schwierig vor.

    Gehe ich weiterhin richtig davon aus, dass in ihrem Konzept den Geschäftsbanken nach wie vor die bisherige Möglichkeit verbleibt, Giralgeld zu erzeugen unter der Einschränkung der vorgeschriebenen Mindestreserve an Zentralbank Guthaben?

    Auch würde sich mit diesem Model meiner Meinung nach die Möglichkeiten des Eigengeschäftes der Banken stark ausweiten, da sie ja über zusätzliches Zentralbank Guthaben verfügen, und somit in Form der Giral Geldschöpfung Wertpapiere in ihre Aktiva gegen Sichtverbindlichkeiten aufnehmen können. Die regulatorische Einschränkungen – und steurungspolitischen Funktion – durch die Mindestreserve würden damit immer weniger relevant.

    Mit freundlichem Gruss
    Peter Dobler

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    • Michael Stöcker schreibt:

      Sehr geehrter Herr Dobler,

      vielen Dank für Ihr Interesse sowie Ihre Fragen. Ihre Hochrechnung ist korrekt. Die Summe von 400 Mrd. entspricht aktuell ca. 2 % des BIP. Damit liegt dieser Wert 1 % unter der Defizitobergrenze des Vertrags von Maastricht. Sofern das Bürgergeld nicht erhöht wird, sinkt es relativ gesehen im Laufe der Jahre wieder kontinuierlich ab (moderates nominelles Wachstum vorausgesetzt). Damit liegt der Spielraum für Budgetdefizite anfänglich nur noch bei 1 % und nimmt dann im Laufe der Jahre wieder langsam zu; es sei denn, das Bürgergeld wird indexiert und automatisch jedes Jahr erhöht.

      Nun zur Frage der mengenmäßigen Geldsteuerung. Dazu müsste man erst einmal wissen, was denn überhaupt die relevante Geldmenge ist. Auch die Bundesbank ist sich hier nicht sicher und scheint sich in diesem Punkt der Sicht von Hayek angeschlossen zu haben: „Money is so many different meanings“; eine Einschätzung, die ich teile.

      Zentralbanken können die Geldmenge nicht direkt steuern und haben zudem nur ein sehr stumpfes Instrument: den Leitzins. Ob dieser nun bei 0,5 % oder aber bei 2 % liegt hat keine wirkliche Bedeutung, solange das Renditekalkül von Siemens und Co. bei 20 % und mehr liegt.

      Die Höhe des Bürgergeldes ist unabhängig vom Konjunkturverlauf. Es ist ein steter Einkommensstrom, der den Bürgern zur Verfügung steht und somit für Kontinuität sorgt. Der Fiskus sollte in stark expansiven Phasen seine Ausgaben straffen und unter Umständen dann sogar einen Budgetüberschuss bilden. Insofern sind die Stellschrauben mit einem Bürgergeld nicht anspruchsvoller als bisher.

      Bei den Kreditvergabemöglichkeiten der Geschäftsbanken ändert sich in der Tat nichts. Da ist Ihre Einschätzung also völlig korrekt. Aber: Wir sollten auch in Euroland die Forderung von Martin Hellwig nach höheren Eigenkapitalquoten in Angriff nehmen; und zwar in Anlehnung an den Vorschlag von Neel Kashkari. Auf den Punkt gebracht: Je größer die Bilanzsumme einer Bank in Relation zum BIP desto höher sind die EK-Anforderungen. Kleine Banken 8 %, Großbanken bis zu 20 %. Das ganze ergänzt durch einen antizyklischen Kapitalpuffer sowie zusätzliche EK-Anforderungen an die Kreditnehmer bei Immobilienkrediten bei regionalen Überhitzungserscheinungen.

      An den Möglichkeiten zum Eigengeschäft ändert sich durch ein Bürgergeld nichts. Die Zentralbankguthaben sind hierfür ohne Bedeutung, da dieses Geld den Bankensektor niemals verlässt. Ausnahme: Wir wünschen als Bürger eine höhere Bargeldhaltung. Die Funktionsweise eines zweistufigen Geldsystems ist aber selbst den Ökonomen nicht so ganz klar, wie die aktuelle Diskussion auf Ökonomenstimme zeigt: hier und hier.

      Die Mindestreserve war schon immer ein ziemlich untaugliches Instrument; von daher wurde sie ja auch de facto abgeschafft. Die Überschussreserven betragen insbesondere in Deutschland ein Vielfaches der Mindestreserve.

      LG Michael Stöcker

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  17. ruby schreibt:

    Neel ist klasse

    aber die Schattenbankbesteuerung mit zwei Sätzen ist sehr, sehr positiv präsentiert oder?

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  18. ruby schreibt:

    Etwas wissenschaftliches in Projektarbeit
    http://www.hs-hannover.de/oem/service/aktuelles/presseinformationen/sys/2017/auf-den-spuren-der-milliarden-der-hsh/index.html
    Frau Finanzministerin hat wegen eigener Unkenntnisse Hilfe bestellt.

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  19. KuBra Consult schreibt:

    Ich finde Ihre Ausführungen interessant und informativ, Herr Stöcker, frage mich jedoch, warum Sie das Eurosystem, welches Sie ja selbst als „Fehlkonstruktion“ bezeichnen, nicht als Ganzes in Frage stellen?

    Die kreditfinanzierten Investitionsorgien in Südeuropa durch die sprunghaft gesunkenen Kreditzinsen nach der Euro-Einführung und die stark unterschiedliche Entwicklung der Realeinkommen innerhalb der Eurozone (siehe: https://kubraconsult.blog/2017/06/17/reallohnentwicklung-in-der-eu-zwischen-2001-und-2016/ ) haben das Eurosystem in eine irreparable Schieflage gebracht.

    Der Missbrauch des TARGET2-System für unverzinste und unbesicherte Dauerkredite (deutsche TARGET2-Forderungen von 907 Milliarden € per 31.12.2017) und das Quantitive Easing-Programm, welches die Bilanzsumme der EZB auf 4,466 Billionen Euro per 31.12.2017 aufgebläht hat, bescheren den deutschen Steuerzahlern Haftungs- und Ausfallrisiken in Höhe von über 2 Billionen Euro, die in den offiziellen deutschen Staatsschulden nicht ausgewiesen werden.

    Man muss Donald Trump fast dankbar sein, dass er den Europäern vor Augen führt, wie unbedeutend und handlungsunfähig sie im Vergleich zu den USA sind – der größten Volkswirtschaft mit der stärksten Finanzindustrie, der Leitwährung US-Dollar, den digitalen Plattformunternehmen Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft, deren Anwendungen und Betriebssysteme (Windows, Android, iOS) die Basis für eine flächendeckende Überwachung durch US-Geheimdienste bilden, der größten Militär- und Atommacht mit der größten Kriegsmarine und einem weltumspannenden Netz von Militärstützpunkten sowie dem exterritorialen Geltungsanspruch der US-Justiz.

    Mit oder ohne Euro wird die EU nicht in der Lage sein, den USA oder China Paroli zu gebieten. Der Euro hat die europäische Völkerverständigung um 40 Jahre zurückgeworfen. Es war ohne den Euro schon schwierig bis unmöglich, die Interessen von 28 Staaten mit unterschiedlicher Sprache, Kultur, Geschichte, Wirtschaftskraft und Sicherheitanforderungen unter einen Hut zu bringen. Durch die Verwerfungen aus der Banken-, Staatsschulden- und Eurokrise in den vergangenen 10 Jahren seit 2008, die Flüchtlingskrise seit 2015 und das BREXIT-Votum der Briten in 2016 sind die „Vereinigten Staaten von Europa“ ohnehin nicht mehr zu realisieren. Wozu braucht es dann noch eine gemeinsame Währung, die wie ein Zwangskorsett wirkt, das die Umverteilung von Arm zu Reich, von Nord nach Süd und von Sparern zu Schuldnern befördert?

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    • Michael Stöcker schreibt:

      Lieber Herr Brand,

      vielen Dank für Ihre Ausführungen. Nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, macht es wenig Sinn, hinterher zu springen. Oder um es anderes zu formulieren: Die Einführung war ein Fehler, aber ein Ausstieg wäre ein noch größerer Fehler. Auch die USA haben mehrere schmerzvolle Anläufe gebraucht, bis sie eine funktionierende Währung hinbekommen haben:

      Throughout the first 150 years of the U.S. monetary union, at least, the United States was wracked repeatedly by bitter regional disputes over monetary policies and institutions. On more than one occasion, those disputes contributed to uncertainty about the future of policies and institutions that exacerbated economic disturbances,
      and contributed to mistakes in national monetary policy. Regional disputes over monetary policy arose because of real differences in regional interests: http://www.nber.org/papers/h0124.

      Einiges hat sich doch schon gebessert: Die Kreditexzesse sind eingedämmt und die Leistungsbilanzen von Italien, Spanien und Portugal weisen sogar wieder Überschüsse auf:

      LB Salden, Quelle: knoema

      Es bleibt aber selbstverständlich noch sehr viel zu tun und das Glas ist wohl bei allem Optimismus gerade mal halb voll. Insofern vorwärts mit Macron und als moderater glaubwürdiger Bremser Jens Weidmann als neuer EZB Präsident.

      TARGET2 ist übrigens ein Zahlungssystem und KEIN Kreditsystem. Leider hat hier Hans-Werner Sinn für sehr viel Verwirrung gesorgt. Ich schätze in vielen Punkten seinen kritischen Verstand, aber von Geld und Geldpolitik hat er einfach wenig Ahnung. Olaf Sievert ist hier der Experte.

      LG Michael Stöcker

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      • KuBra Consult schreibt:

        Danke für die rasche Rückmeldung. Mir ist schon klar, dass TARGET2 ein Zahlungssystem sein soll. Wenn allerdings über einen Zeitraum von 10 Jahren die Forderungen und Verbindlichkeiten in diesem Zahlungssystem immer größer werden und in Billionen-Dimensionen vorstoßen, dann ist das ein klarer Indikator dafür, dass etwas schief läuft. Vor 2008 gab es diese extremen Salden ja auch nicht. Ich finde die Metapher von TARGET2 als „goldener Kreditkarte“, die es ermöglicht, ohne Zinsen und Sicherheiten auf Pump zu kaufen daher gar nicht so verkehrt.

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  20. Zeitgenosse schreibt:

    Sehr geehrter Herr. Stocker!

    Zuerst großes kompliment an Ihrem Blog und vor allem die Arbeit die dort reingesteckt wurde und wird. Auch die verständlichen Ausführungen bzgl. der buchhalterischen Aspekte diverser Probleme sind gut.

    Zum Punkt welcher die Staatsfinanzierung betrachtet erlauben Sie mir eine Anmerkung. Zuerst bin ich KEIN vollumfänglicher Vollgeldfan (mehr), da die Konsequenzen einer Umstellung quasi über Nacht (wie von amnchen Vollgeldenthusiasten gerne gesehen würde) einen viel zu großen Systemschock verursachen würde; eine langsame Änderung mittels stufenweise Heraufsetzung der Mindestreserve erscheint mir zweckmäßiger. Davon abgesehen ist die durch eine „Mantel-und-Degen-Aktion“ in Aussicht gestellte sogenannte Einmalseigniorage mit welchem die Staatsschulden zurückgezahlt werden schleierhaft; ich kann es nicht so ganz (buchhalterisch) nachvollziehen wie durch die Ausschleifung der Giralgelder durch Vollgeld so etwas entstehen könnte. Schulden sofern sie im Ausland sich befinden müssen zwingend durch ZB-Geld bezahlt werden und dabei nützt Giral(banken)geld ungefähr nix – Ausnahme wäre maximal Japan, da dieses Land zwar mit ca. 250% des BIOP verschuldet ist, jedoch fast ausschliesslich im Inland. Aber das nur soweit.

    Artikel 123 ist mMn sehr weise formuliert. Allerdings lässt es soweit ich das sehe eine aufschlussreiche Lücke offen. Absatz 2. Dieser würde implizieren, dass eine vorgeschaltete Staatsbank sehr wohl Staatsfinanzierung betreiben kann, sofern es über diesen Umweg geschieht. Ähnlich wie die seit 1919 existierende Bank of North-Dakota welche ja die einzige publicly-owned bank in den USA ist und zusätzlich als eine Art Mini-Fed in der Gegend fungiert.

    Was das Thema Inflation anlangt: nun die ist ja erwünscht. Der Hyperinflationsteufel der Weimarer Republik sollte man jedoch nicht wecken, wobei das eine Sondersituation war. Es war im prinzip die einzige Möglichkeit die enormen Kriegsschulden weg zu inflationieren. Notenbankkredite an den Staat sind eine interessante Steuerungsmöglichkeit; die Bank of Canada hat dies jahrzehnte gemacht ohne das Kanada jetzt zusammengebrochen wäre. Andere Beispiele wären die Bank of New-Zealand, die BoJ (auch wenn die derzeitige „Abenomics“ nicht funzen wird) oder auch die ZBs Chinas, Südkoreas, usw. Wesentlich ist eine ordentliche Prüfung des zu finanzierenden Projektes. Eine vorgeschaltete Staatsbank kann dies leisten; eine ZB hat wesentlicheres zu tun als sich mit den Fiskalsorgen einer Nation abzuplagen. Also keine Prestigeobjekte oder Wahlzuckerln. Kann es sein das sich die Verfasser von Artikel 123 Abs1 UND 2 genau das überlegt hatten?

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    • Zeitgenosse schreibt:

      Nachtrag: Flüchtigkeitsfehler und Grammatik bitte ignorieren; ich habe in Eile geschrieben.

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    • ruby schreibt:

      Es sind keine Staatsbanken sondern „Kreditinstitute im öffentlichen Eigentum“, die wie private Kreditinstitute behandelt werden. Das bedeutet sie sind nur eine rechtliche Handlungsform die Wettbewerbern gleichgestellt ist. Das was Sie herein lesen wollen gibt es nicht.

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