Fiskalische Konterrevolution

Carl Christian von Weizsäcker gehört zu den ganz wenigen deutschen Kapitalmarktexperten. Dass ich von Weizsäcker für brillant halte, sollte die regelmäßigen Leser dieses Blogs nicht erstaunen. Ich hatte seine Positionen zum Thema Zinsen und Staatsverschuldung hier schon des Öfteren thematisiert.

Nachdem vor 2 Wochen Peter Bofinger (ehemaliger Wirtschaftweiser) auf Social Europe die kopernikanische Wende ausgerufen hat (Fridays for Keynesianism) und hierbei mal so nebenbei die Neoklassische Synthese in luftiger Höhe platzen ließ, hat nun Carl Christian von Weizsäcker letzten Donnerstag nachgelegt und vor erlauchtem Publikum seine Thesen zur Kapitalmarkttheorie des Begründers der Österreichischen Schule Böhm von Bawerk dargelegt. Ein absolutes MUST SEE für ALLE, da die wirtschaftspolitischen Implikationen einer fiskalischen Konterrevolution gleichkommen. Da hatte nicht nur Hans-Werner Sinn in seiner Replik mit der kognitiven Dissonanz zu kämpfen.

Meine Sicht auf die österreichische Kapitalmarkttheorie deckt sich mit der von von Weizsäcker. Wir waren uns 2016 in einem Pausengespräch auf einer Konferenz in Leipzig einig, dass die Österreicher ihre eigene Theorie einfach mal konsequent zu Ende denken müssen. Es ist zudem eine Theorie, in der sich sowohl Neoklassiker, Monetaristen/Friedman und Keynesianer wiederfinden könnten.

Hier nun der Link zum Vortrag von Carl Christian von Weizsäcker: Die große Divergenz zwischen Sparen und Investieren vom 27.02.2020. Und nicht abschrecken lassen, wenn es mal für wenige Minuten für Nichtökonomen etwas komplizierter werden sollte.

update 04.03.2020: Der Vortrag ist leider herausgeschnitten worden (siehe auch der Kommentar von Stefan weiter unten). Es steht aktuell nur noch die Replik von Hans-Werner Sinn zur Verfügung. Von daher habe ich den Link geändert und auf die Veranstaltungsübersicht verlinkt.

update 06.03.2020: Der Vortrag ist wieder komplett verfügbar.

Wer mit der englischen Sprache vertraut ist, der findet die zentralen Aussagen von Carl Christian von Weizsäcker auch in diesem Vortrag beim IMK vom Oktober 2019. Wenn ich es zeitlich schaffe, werde ich die wichtigsten Botschaften von von Weizsäcker am Wochenende kurz zusammenfassen.

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Über Michael Stöcker

Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!
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6 Antworten zu Fiskalische Konterrevolution

  1. ruby schreibt:

    Hallo Herr Stöcker,
    habe den Beitrag herausgesucht
    https://www.econbiz.de/Record/eine-vernachl%C3%A4ssigte-beziehung-zwischen-bodenpreis-wirtschaftswachstum-und-kapitalzins-niehans-j%C3%BCrg/10005148895
    auf den HW Sinn verwiesen hat und der wichtige Wirkungen beschreibt.

    Schön, wie Sie Aufklärung leisten!

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    • Michael Stöcker schreibt:

      Hallo ruby,

      danke für den Link. Nicht ganz zufällig hatte Adair Turner in seinem Buch Between Debt And The Devil dem Thema Grund und Boden ein ganzes Kapitel gewidmet.

      Als erster hatte Henry George dieses Problem analysiert und daraus geschlussfolgert, dass wir eine Bodenwertsteuer benötigen:

      Am konsequentesten hat bislang Singapur die Erkenntnisse von Henry George durchgesetzt. Mehr dazu hier von Dirk Löhr beim DLF.

      Jüngst hatte sich hierzu auch der ehemalige Bauminister Vogel (1972 – 1974) hierzu geäußert und das Instrument des Erbbaurechts eingefordert:

      Für alle andere Fälle empfehle ich den Vorschlag von Henry George zu einer Bodenwertsteuer (Achtung: Hat nichts zu tun mit der unseligen Bodenwertzuwachssteuer die jüngst von der SPD vorgeschlagen wurde).

      LG Michael Stöcker

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      • ruby schreibt:

        Herr Stöcker,
        ein ältere Kollege ist Erbbaurechtexperte und Erbbaurechtvertrags“meister“.
        Da habe ich einiges an Grundlagen gelernt, doch die wirtschaftlichen und rechtlichen Feinheiten bleiben kompliziert. Um Günter Grass’s Buchtitel zu nennen: „Ein weites Feld“
        aus folgendem Link:
        https://literaturkritik.de/id/20544

        Der Kunstcharakter des Erzählten liegt nicht zuletzt darin, daß eben dies auch noch veranschaulicht wird: Mitten in die Denkmalszene hinein tritt nämlich ein Besucherpaar: Er mit Baskenmütze, Pfeife rauchend in gebeugter Haltung, hängendem Schnauzer, sie mit krausen Haaren, sehr viel jünger, fotografierend. Hoftaller und Fonty neben der „sitzenden Bronze“ sind ihnen Luft; sie sehen sie nicht, obwohl sie fotografieren und genau beobachten. Ich zitiere: „Und zum Beweis rief der Pfeifenraucher: ‚Guck mal, neben unserem Freund ist viel Platz. […] So, nur noch die Inschriften, das reicht dann.‘ Einen halben Film wird sie Bildchen nach Bildchen abgeknipst haben. […] Dann verschwanden sie endlich in Richtung Stadt: ein ungleiches Paar, das einen ganz anderen Roman lebte. Wir aber haben noch lange über Fiktion und Wirklichkeit nachdenken müssen und Fonty […] wird sich seinen Teil gedacht haben; auch er neigte dazu, was ihm nicht paßte, zu übersehen und tatsächliche Lücken mit den Kindern seiner Laune aufzufüllen“ (S. 592).

        Vor etwa 20 Jahren habe Günter Grass und sein Frau mit Phototasche genauso auf dem Bahnhof unserer Kleinstadt beobachtet auf den Zug nach Lübeck wartend.
        😉

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      • ruby schreibt:

        Hallo Herr Stöcker,
        gut, daß wir die Vortragsreihe virtuell abgespeichert haben bis diese wieder auftaucht hoffentlich, auch wenn manchmal verschiedene Lehren gezogen werden. Aber Gegenstände und Standpunkte werden durch dialektischen Austausch meistens besser. In diesem Sinne beyond the interest rate (klingt mindestens so gut wie Zinsmyten oder?).

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  2. Stefan schreibt:

    Danke für den spannenden Beitrag. Link führt zur Replik von Hans-Werner Sinn aber nicht zum Vortrag von Carl Christian von Weizsäcker. Kann jemand den Link zum Vortrag zur Verfügung stellen?

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