Lost & Found – Die Wiederentdeckung des Say’schen Theorems

Nachdem mir vor zwei Tagen das Ricardianische Äquivalenztheorem abhanden gekommen war, wurde ich gestern mit der Wiederentdeckung des Say’schen Theorems mehr als versöhnt.

Worum geht es bei diesem Theorem, das seinen Namen Jean-Baptiste Say, einem französischen Ökonomen der klassischen Nationalökonomie verdankt. Der Grundgedanke ist ganz einfach: Das Angebot schafft sich seine Nachfrage selbst.

Das ökonomische Pendel war nach der Weltwirtschaftskrise 1929 sehr stark Richtung Nachfragepolitik (Keynesianismus bzw. Vulgär-Keynesianismus) ausgeschlagen und führte in den 70er Jahren dann aber nicht mehr zum gewünschten Erfolg (sofern es den jemals gab, denn eine Liquiditätsfalle hat es zu dieser Zeit nicht gegeben). Das war dann die Stunde der Angebotsökonomen und das Pendel schlug wieder in die andere Richtung.

Auf Basis des Say’schen Theorems entwickelten Ökonomen der Chicagoer Schule (v. a. Friedman, Mundell und Laffer)  die Supply-side Economics, die dann als Reaganomics oder Thatcherismus ihren prägenden Namen bekamen.  Es waren also eigentlich Ideen der klassischen und neoklassischen Nationalökonomie, die neu durchdacht wurden (vorangetrieben durch die Mont Pelerin Society). Beide stehen heute für viele Menschen als Sinnbild  eines gescheiterten, menschenverachtenden Wirtschaftskonzepts, dessen hässliche Fratze sich spätestens seit der Finanzkrise in Gänze zeigt (siehe z. B. Schulmeisters Beitrag im Standard). Die ursprünglichen Ideen des Liberalismus sowie der Klassik und Neoklassik erfüllten nicht die Heilsversprechen ihrer Fürsprecher und so wurde der Begriff des Neoliberalismus zum Kampfbegriff der NGOs. (Dass dies sachlich nicht ganz richtig ist, ist eine andere Geschichte und wird Gegenstand eines eigenen Beitrags sein.)

Wieso habe ich dann das Say’sche Theorem für mich wiederentdeckt? Weil es sich gedanklich sehr gut in die von Binswanger beschriebene systemimmanente Problematik des Kreditgeldes in gesättigten Märkten einfügt. Die neoklassischen Anhänger von Say haben  damals den Zins ins Spiel gebracht, um zwischen Ersparnissen und Investitionen einen Ausgleich zu finden, der dann wieder den Markt räumt. *)   Wie ich aber bereits an anderer Stelle angedeutet habe, sind Ersparnisse für eine Investition nicht nötig, sondern sind gesamtwirtschaftlich sogar schädlich. Warum? Weil ich erst investieren muss und dann diese Investition  ex post als Ersparnis übrig bleiben kann, aber doch niemals ex ante. Die Ersparnis folgt aus der Investition und ex post kann ich dann von einer Identität sprechen (I=S).

Investitionen werden aber über einen Kreditgeldschöpfungsprozess vorfinanziert und führen bei Erfolg zu Umsatzerlösen, die dann wieder zur Kredittilgung verwendet werden können. Sparen die Bürger einen größeren Teil ihres Einkommens, so fehlt es im System an Nachfrage. Hier haben nun die Neoklassiker argumentiert, dass dann eben die Preise nur tief genug fallen müssen. Dies kann aber nicht funktionieren, da Investitionen immer vorfinanziert werden müssen. Und das geht eben nicht mit den Ersparnissen der Bürger, denn die müssen ja für die nötige Nachfrage sorgen. Wenn die aber nicht nachfragen, da sie ja für die Rente sparen müssen, dann fehlt die Nachfrage, um die Investitionskredite zurückzahlen zu können.

Gleiches gilt für den systemimmanenten Defekt, den ich hier beschrieben habe und als Konsequenz hieraus eine Bürgerfinanzierung empfohlen habe (nicht zu verwechseln mit einem BGE, das ich schon immer abgelehnt habe. Flassbeck/Spiecker haben hierzu die richtige Analyse geliefert). Auf diese Weise verschaffte sich dann auch das Say’sche Theorem wieder seine Gültigkeit.

Letztlich sind die von mir vorgeschlagenen 10 Punkte zu einer Reform des Geldsystems eine Versöhnung der Neoklassiker mit den Keynesianern. Beide haben dasselbe Ziel, empfehlen aber die falschen Instrumente.

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* Vertreter des Marktmonetarismus sehen eine Alternative in negativen Zinsen auf Buchgeld, wenn man das Bargeld abschaffen würde. Theoretisch zwar nett gedacht, da so ein Schwundgeld nach Gesell umgesetzt würde, aber pragmatischer Realismus ist etwas anderes.

Über Michael Stöcker

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