Das Ricardianische Äquivalenz-Theorem – Lost in Recession

Das Ricardianische Äquivalenz-Theorem geht auf den großen Ökonomen David Ricardo zurück. Zentrale Aussage dieses Theorems ist, dass es letztlich egal sei, wie der Staat seine Ausgaben finanziert, da Steuersenkungen/Steuererhöhungen und Staatsverschuldung perfekte Substitute sind; sie sind äquivalent. Oder anders ausgedrückt: Eine höhere Staatsverschuldung führt in der Erwartung rationaler Wirtschaftssubjekte unmittelbar zu einer erhöhten Ersparnisbildung und kompensiert konterkariert damit zugleich die intendierten Wirkungen in der Realwirtschaft. Ein keynesianisches Deficit-Spending muss damit wirkungslos bleiben; es kommt zum vollständigen Crowding-out. Die Ideen hierzu wurden von Robert Barro in den 70er Jahren in dem vielfach beachteten Beitrag im Journal of Political Economy aufgegriffen (Are Government Bonds Net Wealth?).

Noch einfacher formuliert es der Bund der Steuerzahler: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Ein ricardianischer Steuerzahler spart also jetzt schon zusätzlich, um die zukünftig zu erwartende Steuererhöhung auch finanziell leisten zu können.

In der ökonomischen Welt der permanenten Knappheit mag an diesem Theorem ja durchaus etwas dran sein. Aber wie sieht die Sache in gesättigten Märkten mit hohem Gini-Koeffizient im Zusammenspiel mit einer Bilanzrezession aus?

Das Konzept der balance sheet recession geht auf Richard Koo zurück. Vereinfacht ausgedrückt kommt es nach einer kreditinduzierten Wachstumsblase bei vielen Haushalten und Unternehmen zu einer Neujustierung von Schulden und Vermögen. Der nötige Schuldenabbau führt zu einer geringeren Neuverschuldung oder sogar zu einer Schuldenrückführung. In Folge kommt es zu einem Rückgang der Nachfrage nach Investitions- und Konsumgütern. Dies macht es den verschuldeten Haushalten und Unternehmen wegen der rückläufigen Nachfrage aber noch schwerer, ihre Schulden zu bedienen und aus einem Verschuldungsproblem wird dann sehr schnell ein Überschuldungsproblem.

Multiplikator und Akzelerator wirken in beide Richtungen und können daher solche Boom-Bust-Zyklen verstärken; vor allem dann, wenn zuvor über steuerliche Anreize versucht wurde, sich dem anämischen Wirtschaftswachstum entgegenzustemmen.

Verschuldet haben sich vor allem solche Personen/Unternehmen, die nicht über genügend liquide Mittel verfügten. Über Abzahlungsgeschäfte, Leasing und sonstige Instrumente der Absatzfinanzierung wurde in den letzten Jahren das Wachstum noch etwas befeuert (mehr dazu hier: Das Geschäft mit der Verbriefung). Nun ist das Feuer aber in vielen Ländern nur noch warme Asche und es findet sich keiner mehr, der noch über das notwendige Verschuldungspotenzial verfügt, um für weiteres Wachstum zu sorgen. Aus der Verschuldungs-Wachstums-Spirale wird eine destruktive Entschuldungs-Rezessions-Spirale.

Und nun zurück zu Ricardo. Die Situation stellt sich schon seit einiger Zeit anders dar, als von Ricardo gedacht. Warum? Weil die Vermögen so ungleich verteilt sind (hoher Gini-Koeffizient), dass die Reichen bei zunehmender Staatsverschuldung an Ihrem Verhalten nichts ändern werden. Sie haben nun nur weitere Möglichkeiten, ihre Überliquidität zurück in den Kreislauf zu führen und dafür auch noch Zinsen zu kassieren, was den Gini-Koeffizient tendenziell weiter nach oben treibt. Das Zinsniveau reagiert aber wegen der hohen Überschussliquidität kaum auf die zunehmende Verschuldung (siehe auch Japan), so dass ein Crowding-out über den Zinseffekt nicht sattfinden wird.

Ich habe schon an anderer Stelle versucht darzulegen, weshalb wir in gesättigten Märkten nicht in erster Linie ein Verschuldungsproblem haben, sondern ein Nachfrageproblem. Dieses Nachfrageproblem ist so virulent, dass sich Krugman die Finger wund schreibt und nach mehr staatlichen Schulden förmlich fleht, um diese fehlende Nachfrage zu kompensieren. Dies mag ja durchaus eine Möglichkeit sein, aber ist dies wirklich ein Szenario, das wünschenswert ist? Vor allem: Wir bauen so weitere Vermögensillusionen auf, denn die Schulden des einen sind immer die Vermögen der anderen.

Daher hatte ich vor einigen Tagen ein Alternativkonzept vorgeschlagen, das mit einigen der traditionellen geldpolitischen Instrumente bricht und unsere Kreditgeldwirtschaft wieder auf solidere Füße stellt. Dieses Konzept habe ich in Form eines 10 Punkteplans hier beschrieben.

Über Michael Stöcker

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