Das Geschäft mit der Verbriefung

Am 4. September 2013 hat der von mir sehr geschätzte Dirk Elsner einen Gastbeitrag vom Geschäftsführer der True Sale International GmbH (TSI) veröffentlicht. Die TSI macht sich vor allem für das ABS Verbriefungsgeschäft stark. Der Beitrag hatte den Titel:

Die fatale Logik zersplitteter Finanzmarktregulierung

und diente als Anregung für meinen Kommentar:

Die fatale Logik konzentrierter Verbriefungsgeschäfte

Nach 5 Tagen erhielt ich dann auf meinen Kommentar eine Antwort von der Geschäftsführerin der TSI Services GmbH, die mir mangelndes Verständnis, ungenügende Differenzierung sowie Diffamierung unterstellte. Meine Antwort auf ihren Kommentar habe ich hier noch einmal wiedergegeben und bin gespannt, ob es eine weitere Reaktion geben wird.

Update: Frau Simm hat mir am 20.09.2013 geantwortet. Ihre Antwort können Sie  unter dem oben angegebenen Link nachlesen (am Ende des Beitrags).

Sehr geehrte Frau Simm,

Sie bedienen sich hier des stilistischen Mittels des argumentum ad personam. Ich möchte daher etwas ausführlicher meine Bedenken gegen die aktuelle Verbriefungspraxis darlegen, damit der geneigte Leser selber entscheiden kann, wer die Dinge versteht und differenziert und wer nicht.

Übereinstimmung sehe ich vorerst bei zwei Punkten: bei den Subprimes sowie den griechischen Staatsanleihen. Dass Sie den deutschen Verbriefungsmarkt mit Griechenland auf eine Referenzstufe stellen, ist aus meiner Sicht allerdings eher unglücklich. Denn unter den Blinden ist der Einäugige bekanntlich immer König. Auch Ihr Argument, dass sich etwas in der Vergangenheit „hervorragend bewährt“ hat, ist keine sachlogische Begründung für zukünftigen Erfolg.

Aber zurück zur Sache. Ich hatte bereits erwähnt, dass ich grundsätzlich nichts gegen Verbriefungen habe. Aber wie immer im Leben kommt es darauf an, was (1) man wie (2) in welcher Intensität (3) macht.

Zuerst zum Was. Ihren Ausführungen sowie den Inhalten der TSI Website kann ich entnehmen, dass es vor allem Konsumkredite sind, die Gegenstand des Verbriefungsgeschäfts sind (Santander und Volkswagenbank sind explizit erwähnt). Dafür gibt es aus unternehmens- und bankenindividueller Sicht auch gute sachliche Gründe. Denn Unternehmen leben vom Verkauf ihrer Produkte und Banken von der Kreditvergabe. Nun leben wir aber schon seit geraumer Zeit in gesättigten Märkten mit Überkapazitäten. Das bedeutet, dass auch die Wachstumsraten allmählich gegen Null laufen. Bei Nullwachstum gibt es aber auch kein Kreditwachstum mehr. Es sei denn, wir stimulieren heute die Nachfrage durch kreditfinanzierten Konsum. Dabei sollte allerdings jedem klar sein, dass dies nichts anderes ist als vorgezogener Zukunftskonsum. Eine kreditfinanzierte Konsumgüternachfrage muss also logisch zwingend in einen zukünftig umso schmerzhafter verlaufenden Konsolidierungsprozess münden. Dieser Prozess läuft gerade in der Südperipherie ab und hat durchaus demokratiegefährdendes Potenzial. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist daher die Investitionsfinanzierung der langfristige Hebel für nachhaltiges Wachstum, nicht jedoch die Finanzierung von Konsum auf Pump. Konsum auf Pump ist in der Zukunft nur noch vergangenes Nichts.

Kommen wir zum zweiten Punkt: zum Wie: Die europäische Automobilindustrie mit ihren Überkapazitäten ist ein gutes Beispiel, wie dieser Entwicklungsprozess abläuft. Aufgrund der Fixkostendegression gibt es ein elementares betriebswirtschaftliches Interesse an hohen Absatzzahlen. Da der Absatz aber schon seit geraumer Zeit stockt, haben alle großen Player ihre eigene Bank gegründet bzw. sind Kooperationen mit Banken eingegangen (vom Vorteil des Zentralbankzugangs mal abgesehen; denn ein Konto bei der Bundesbank ist immer zu 100 Prozent sicher). Ein weiteres Beispiel ist die Santander Consumer Bank aber auch viele andere Banken, die sich in Interessenunion mit den Unternehmen auf die Finanzierung von Abzahlungsgeschäften konzentriert haben. Das Motto lautet: Kaufe jetzt, zahle später.

Damit dieser Prozess nicht ins Stocken gerät, kommen jetzt die Verbriefungsgeschäfte ins Spiel. Durch solche Verbriefungsgeschäfte wird nun neue Liquidität für weiteren kreditfinanzierten Absatz zur Verfügung gestellt. Eine zusätzliche Gefahr hierbei sehe ich bei den bonitätsmäßigen Voraussetzungen der Kreditvergabe. Mit zunehmender Verschuldung sinkt die Anzahl potenzieller Schuldner mit ausreichender Bonität. Wie auch schon in den USA besteht daher die Gefahr, dass Kredite an Personen vergeben werden, deren Bonität nicht den Standards der Vergangenheit entsprach. Wenn Banken nun die Möglichkeit geboten wird, solche Kredite im Rahmen eines True Sale aus ihren Bilanzen herauszulösen, besteht ein grundsätzliches Moral Hazard Problem schon bei der Kreditvergabe.

Und damit kommen wir zum dritten Punkt, der Intensität. Ein kurzfristiges Überziehen des Girokontos ist zwar grundsätzlich nicht nötig, aber im Fall der Fälle eine ganz praktische Sache. Auch die Überschuldung von einzelnen Personen ist zwar aus individueller Sicht ein tragisches Ereignis, aber nicht systemrelevant. Systemrelevant wird das ganze erst dann, wenn die Kreditvergabe dem Wirtschaftswachstum enteilt. Dieser Prozess hält so lange an, bis auch bei uns die systemische Verschuldungsgrenze erreicht ist (vielleicht ist sie das schon). Daher meine These: Verbriefungsgeschäfte mit Konsumentenkrediten verschärfen die Boom-Bust-Zyklen, stehen somit im Widerspruch zum Stabilitätsgesetz (http://www.gesetze-im-internet.de/stabg/__1.html) und sind damit systemgefährdend. Es gibt hierzu ein paar aussagekräftige Grafiken, anhand derer Mark Dittli die Problematik eines solchen Kreditmegazyklus veranschaulicht: http://blog.fuw.ch/nevermindthemarkets/index.php/33020/die-tragik-des-grossbankensystems-in-zwei-charts/

Der Finanzsektor versucht zwar mit allen möglichen Finanzdienstleistungen (FinanzINDUSTRIE sowie FinanzPRODUKTE sind semantische Verirrungen) die drohenden Kreditausfälle zu versichern. Aber das Ganze ist ein auf eine faktische Unmöglichkeit ausgerichtetes Unterfangen. Die Risiken eines Kreditausfalls kann man nicht aus dem System nehmen. Diese Risiken können nur umverteilt werden. Einer muss sie letztlich immer tragen.

Kurz gefasst: Die Verbriefung von Konsumentenkrediten führt nicht zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum sondern nur zu einem weiteren Schulden- und (Schein-)Vermögensaufbau. Eine ungleiche Vermögensverteilung verstärkt den Verschuldungstrend (Schulden = Vermögen) und kreditfinanzierter Konsum verstärkt wiederum die Vermögenskonzentration. Ein circulus vitiosus.

Dies ist vielleicht auch mit ein Grund weshalb Rolf Breuer mittlerweile ernsthafte Zweifel an der Sinnhaftigkeit seiner vergangenen Lebensgestaltung äußert: http://blogs.wsj.de/die_seite_drei/2013/09/05/rolf-breuer/

update 26.10.2015: Nach dem letzten Dossier der Wochenzeitung DIE ZEIT hat Rolf Breuer nun Gelegenheit, im Sterbehaus über den Sinn seines Lebens nachzudenken. Leider nicht online verfügbar, dafür aber schon bei Wiki ein Verweis.

Aber wo Schatten ist, gibt es auch immer Licht. Daher möchte ich zum Abschluss kurz auf die Leuchttürme der TSI eingehen. Da gibt es zum einen die sehr informative Website. Als Verantwortliche hierfür geht dieses Lob an Sie, Frau Simm. Zum anderen haben Sie einen sehr guten Beitrag zum Islamic Banking geschrieben/veröffentlicht. Falls Sie bei meinem eigenen Blog vorbeigeschaut haben sollten, werden Sie festgestellt haben, dass ich hier eine sehr ähnliche Auffassung vertrete. Und ein nach solchen Prinzipien gestaltetes Verbriefungsgeschäft findet meine volle Unterstützung. Allerdings nur dann, wenn es sich hierbei um Investitionskredite handelt jedoch nicht bei reinen Endverbraucher Krediten (solide Immobilienfinanzierung ausgenommen).

Leider wollen Finanzinvestoren aber lieber einen risikofreien garantierten Zinsertrag heute, als ein risikobehaftetes Real-Investment, das möglicherweise keinen positiven Ertrag erwirtschaftet. Daher ist die Mehrzahl der Verbriefungsgeschäfte wohl eher auf Konsumkredite ausgerichtet (Verbriefungen von Autofinanzierungen an Unternehmen sind aus gesamtwirtschaftlicher Sicht durchaus sinnvoll, nicht aber die Verbriefung von privaten Blechträumen).

Wenn Sie es also ernst meinen mit Ihren Überlegungen zur Finanzmarktstabilisierung sollten Sie sich auf die Verbriefung von risikobehafteten Realinvestitionen konzentrieren. Dann wird auch dem letzten Geldsparer klar, dass Geld kein Geld erwirtschaftet, sondern lediglich Realinvestitionen zu einem stetigen und angemessenen Wirtschaftswachstum beitragen können (= notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung). Bei einem zukünftigen Wachstum in Höhe von eher 1 denn 2 Prozent, können für alle aber keine Renditen von 6 bis 8 Prozent herauskommen. Die Vergangenheit ist eben eher selten ein guter Prädiktor für zukünftige Trends. Da müssen wir alle wohl noch intensiv an unseren unerschütterlichen Renditegewissheiten arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Stöcker

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