Zombienomics oder die Pfählung der Loanable Funds Theorie

Es gibt ökonomische Theorien, die wie Zombies ihr Dasein auch weit jenseits der ökonomischen Lehrzirkel fristen  und einfach nicht tot zu kriegen sind. Hierzu zählt insbesondere die Loanable Funds Theorie (LFT), die hier in diesem Blog schon mehrfach kritisiert wurde (z. B. im ersten Beitrag Zinsmythen).

Nun holt die Bank of England (BoE) zum zweiten großen Rundumschlag aus. Nachdem sie im 1. Quartal 2014 eine Aufklärungsserie zum Thema Geld- und Geldschöpfung gestartet hatte (siehe Geldmythen) legt sie nun nach und beerdigt hiermit nun hoffentlich die irrigen Vorstellungen der LFT endgültig. Sie bestätigt damit letztlich die Sicht von Richard Werner, der als einer der ersten in der jüngeren Vergangenheit mit diesen Geld- und Bankmythen offiziell aufgeräumt hatte: Can banks individually create money out of nothing? — The theories and the empirical evidence. Drei Monate zuvor hatte ich diesen Sachverhalt im Beitrag Bankmythen analysiert.

Aber auch die Richtigstellung von Benedikt Fehr in der FAZ von 2008  blieb ohne große Resonanz und auch das aktuelle Papier der BoE stellt insbesondere auch die Bundesbank in ein geschöntes Licht, obwohl auch sie bis zu Beginn der Finanzkrise mit der fehlerhaften LFT operiert hatte (siehe hierzu insbesondere mein Kommentar in der FAZ).

Nun bleibt zu hoffen, dass das Papier der BoE von Zoltan Jakab und Michael Kumhof das endgültige Aus für die Zombie-LFT bedeutet. Interessant an diesem Papier ist, dass auch Tobin nicht verschont bleibt sowie insbesondere die Integration des Bankkredits in die gängigen DSGE-Modelle. Hier geht’s zum Papier: Banks are not intermediaries of Loanable funds — and why this matters.

update 24.08.2016
Am 08.05.2016 hat nun auch die SNB ihre fehlerhafte Darstellung der Geldschöpfung korrigiert: Wie wird Geld geschaffen?

update 04.09.2015: Nun stellt auch noch der Chef der Deutschen Bank sein monetäres Unwissen öffentlich zur Schau: Illusionen „Vom Nutzen der Banken“

update 02.06.2015 / 18:48   Bill Mitchell (MMT) hat das Papier von Zoltan Jakab und Michael Kumhof kommentiert: Bank of England finally catches on – mainstream monetary theory is erroneous

update 04.06.2015: Diese beiden schon etwas älteren Beiträge von Herrn Dr. Menéndez beleuchten ebenfalls das Thema sehr schön:

Und wer meinen verlinkten Kommentar bei der FAZ noch nicht gelesen haben sollte, hier noch einmal in Kopie:

Wenn Unwissenheit zur Wachstumsbremse wird

Es ist immer wieder interessant zu sehen, wie jede Generation immer wieder dieselben Fehler wiederholt. Beim Thema Ungleichheit und Vermögens-/Schuldenkonzentrationsprobleme gab es in den letzten 2000 Jahren keinen Erkenntnisfortschritt (Matthäus-Effekt bzw. der Teufel schei… immer auf den größten Haufen). Es gibt immer mal wieder kurze helle Momente (Jubeljahre und/oder hohe Grenz- und Erbschaftssteuersätze), aber schon nach kurzer Zeit dominiert wieder der Tanz ums goldene Kalb. Erschwerend kommt hinzu, dass wir alle die Funktionsweise unseres Geldsystems nicht verstehen (Turner zählt hier zu den wenigen Ausnahmen).

Kaum jemandem wird aufgefallen sein, dass die Deutsche Bundesbank im Jahr 2008 nach über 25 Jahren (ältere Hefte sind mir nicht bekannt) ihr Schülerheft zum Thema Geldschöpfung völlig neu konzipiert hat (Hier findet jeder noch die alte Version mit aktiver und passiver Geldschöpfung sowie dem Geldschöpfungsmultiplikator: https://zinsfehler.files.wordpress.com/2014/03/geld2_gesamt__2007_.pdf).

Die Bundesbank hatte bis zu Beginn der Finanzkrise ihr eigenes Geschäftsfeld in einem zentralen Bereich der Geldschöpfung nicht verstanden. Viele verstehen es heute wohl immer noch nicht, da die meisten Lehrbücher – sofern das Thema Geldschöpfung überhaupt thematisiert wird – von der Loanable-Funds-Theorie ausgehen, die nachweislich falsch ist. Kaum zu glauben, aber leider wahr, wie eine Studie von Standard & Poor’s nachweist: Leider ist diese nur noch hier zu finden, da S&P – warum auch immer – diese Veröffentlichung von seinem Server entfernt hat: http://www.positivemoney.org/2013/08/repeat-after-me-banks-can-not-and-do-not-lend-out-reserves-sp-report/ Auch ein John Taylor hat unser Geldsystem nicht verstanden und befindet sich damit in bester Gesellschaft mit Paul Krugman.

Auf die erste Frage, warum die Darstellung verändert wurde, schreibt die Bundesbank dann am 13.11.2014 lapidar: „Die praktische Geldpolitik hat sich im Laufe der Zeit so verändert, dass es geboten schien, die Darstellung zu aktualisieren.“ http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/FAQ_Listen/faq_zum_thema_geldschoepfung.html

Fakt ist, die praktische Geldpolitik war noch nie anders! Die frühere Darstellung war schlicht und ergreifend falsch. Die Konsequenzen hieraus sind allerdings so elementar, dass ich diesen Wandel für mindestens so bedeutsam einschätze, wie die kopernikanische Wende. Insbesondere folgt hieraus, dass unsere weitgehend fehlerhafte aktuelle Geld- und Fiskalpolitik einen zentralen Beitrag zum ökonomischen Desaster leistet. Es ist nämlich insbesondere die ungleiche Geldvermögenskonzentration, die das Wachstum behindert und zu einer deflatorischen Selbststrangulierung führt mit der Gefahr einer anschließenden galoppierenden Inflation.

Zum ersten Mal wurde das ganze Desaster am 31.12.2008 hier in der FAZ von Benedikt Fehr thematisiert: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftswissen/finanzkrise-der-weg-in-das-milliarden-desaster-1745087.html

Die elementare Bedeutsamkeit dieser veränderten Sicht auf die Geldschöpfung haben damals wohl die wenigsten verstanden. Fehr ist seit 2011 Leiter des Zentralbereichs Ökonomische Bildung bei der Bundesbank. Eine offizielle Stellungnahme der Bundesbank gab es – bis auf die versteckte FAQ-Liste – hierzu bislang nicht.

Aus dieser veränderten Darstellung leiten sich insbesondere drei falsche monetäre Gewissheiten ab:

1. Der Zins führt ex ante S und I zusammen. Hierfür gibt es das Standard IS-LM-Diagramm. Dies ist Unsinn, da die Ersparnis immer erst eine Folge von Investitionen ist. Daraus folgt: Die Loanable-Funds-Theorie (LFT) ist Nonsens. Der Zins ist eine ex post Reaktion auf Investitionen, die über einen Kreditvertrag mit einer Bank vorfinanziert werden. Dafür werden keine monetären Ersparnisse benötigt. Der Marktzinssatz ist also ein ex post Ergebnis vorheriger Investitionen, die bei konjunktureller Überhitzung durch die Leitzinsen gebremst werden. An der Nullzinsgrenze (keiner will sich verschulden für Investitionen und die Geldhorter werden wegen ausbleibender Inflation privilegiert) ist die klassische Geldpolitik am Ende.

2. Es gibt eine multiple Geldschöpfung. Die LFT war die intellektuelle Basis für die Erklärung der Geldschöpfung. Auch bei der Deutschen Bundesbank. Zumindest bis zu Beginn der Krise im Jahre 2007. Erst im Jahre 2008 wurde der Geldschöpfungsprozess neu erklärt. Dieser Wechsel ist nur noch vergleichbar mit der kopernikanischen Wende. Die alte Darstellung der Bundesbank war falsch und hat nun aber Generationen von Schülern, Lehrern und Studenten (also de facto uns alle, die aufgepasst haben) in unseren Vorstellungen geprägt.

3. Die Zentralbanken sind es, die das Zinsniveau bestimmen. Ben Bernanke hat hierzu viel Richtiges geschrieben: http://www.brookings.edu/blogs/ben-bernanke/posts/2015/03/30-why-interest-rates-so-low. Allerdings passt dies nicht zum offiziellen Auftrag der Fed. Und die Geldmenge wird ebenfalls nicht durch die Notenbanken determiniert und somit auch nicht das Zinsniveau: https://zinsfehler.wordpress.com/2013/09/06/allmachtsfantasien-zur-zinssetzungshoheit/

Wer mit dem geistigen Rüstzeug der Tauschwirtschaft die Geldwirtschaft analysiert, kommt nicht nur zu den falschen Schlüssen, sondern bastelt sich auch die falsche Modelle und Theorien, die dann irgendwann – wie das geozentrische Weltbild – an der Realität scheitern. Es ist ein intellektuelles Desaster, das einen übergroßen Anteil an dieser Krise und dem Elend in Südeuropa hat.

LG Michael Stöcker


 

Und zu guter Letzt noch einige Leseempfehlungen, die teilweise von mir kommentiert wurden:

Über Michael Stöcker

Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!
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